Freitag, 22. August 2025

Der Offene Theismus – eine Grundlage der NAR

Im letzten Beitrag habe ich die Neue Apostolische Reformation (NAR) vorgestellt – eine Bewegung, die weltweit immer mehr Einfluss gewinnt und durch das sogenannte „7-Berg-Mandat“ und andere Strategien großen Anspruch auf die Gesellschaft im Allgemeinen erhebt. Mir wurde schnell klar, dass dahinter eine bestimmte Sicht auf die Zukunft steht. Eine der entscheidenden Grundlagen dieser Bewegung ist nämlich, dass die Zukunft nicht als von Gott souverän festgelegt verstanden wird, sondern als offen oder noch unentschieden. Nach dieser Sicht hängt es stark von den Handlungen der Gemeinde ab, ob und wie Gottes Plan Realität wird. Nicht immer wird das offen gelehrt, aber häufig ist dies die einzige Erklärung für bestimmte Lehren, die in diesem immer größer werdenden Lager verbreitet werden.

Damit sind wir bei einer der theologischen Grundlagen, die diese Denkweise stützt: dem Offenen Theismus. Er behauptet, dass Gott zwar alles weiß, was man wissen kann, die Zukunft freier Entscheidungen aber nicht feststeht. Gott „reagiert“ dann angeblich auf unsere Entscheidungen, erst nachdem wie wir sie treffen.

Diese Sichtweise gibt uns Menschen weit mehr Macht über Gottes Pläne, als uns zusteht und als die Bibel lehrt. Wenn die Zukunft nicht fest in Gottes vollkommenem Wissen und souveräner Hand liegt, scheint es, als hinge alles von unseren Entscheidungen ab – fast so, als wäre Gott direkt auf unser Handeln angewiesen. Genau hier setzt die NAR an: Sie gibt ihren Aposteln und Propheten eine Schlüsselrolle dafür, wie die Welt sich entwickeln soll. Wie erkläre ich in den nächsten Beiträgen.

Aber ist das wirklich, was die Bibel sagt? Im Folgenden möchte ich zeigen, warum – meiner Meinung nach – der Offene Theismus nicht mit dem Wort Gottes vereinbar ist und wie diese Lehre Gottes Wesen und unsere Sicherheit im Glauben verzerrt.

Was ist Offener Theismus?

Der Offene Theismus (engl. Open Theism) ist eine theologische Strömung, die besonders in den 1990er Jahren durch Autoren wie Clark Pinnock und Greg Boyd und später auch C. Peter Wagner populär wurde. Die Grundannahme lautet:

• Gott weiß alles, was man wissen kann.
• Die Zukunft ist aber noch nicht „realisiert“, sondern offen.
• Entscheidungen freier Geschöpfe sind daher für Gott nicht im Voraus vollständig erkennbar. (Er muss auf uns warten)
• Unsere Taten beeinflussen Gottes Möglichkeiten zu handeln.
• Durch unsere Taten können wir mit ko-kreieren oder „Partner“ sein.

Mit anderen Worten: Gott kennt alle Möglichkeiten, ist sich aber nicht sicher, welche Möglichkeit eintreten wird.

Ganz ehrlich: Klingt das nach einem allmächtigen Gott für euch? Für mich nicht. Daher die nächste Frage…




Warum klingt das für viele attraktiv?

Ich verstehe warum diese Lehre erst einmal tröstlich wirken kann. Als ich die Lehre das erste Mal gehört habe, dachte ich: Das klingt doch gar nicht so schlecht? Es betont ja unsere Freiheit. Manche finden es sogar tröstlich, weil sie meinen: „Dann hat Gott das Leid, das mir passiert ist, auch nicht gewusst. Damit konnte es auch nicht verhindern.“ Und fürs Gebet scheint es auch erstmal wirksamer: „Wenn ich bete, kann Gott seinen Plan ändern.“ Man fühlt sich wie ein Partner Gottes, der Einfluss über sie Zukunft nimmt – anstatt in den Stürmen des Lebens zu lernen, Seiner Güte und Liebe zu vertrauen.

Aber wenn ich ehrlich bin, merkte ich schnell: Das klingt nicht nach dem Gott, den ich in der Bibel finde. Es macht Gott kleiner, als er ist, und gibt uns Menschen eine Rolle, die uns gar nicht zusteht.


Warum ist Offener Theismus unbiblisch?

Die Bibel bezeugt durchgehend, dass Gott die Zukunft kennt – nicht nur als Möglichkeit, sondern in ihrer Realität.

Jesaja 46,9–10 (Menge):
Denkt an die früheren Geschehnisse zurück von der Urzeit her, dass ich Gott bin und sonst keiner, eine Gottheit, der nichts vergleichbar ist! Ich habe von Anfang an den Ausgang kundgetan und seit der Vorzeit das, was noch ungeschehen war; ich gebiete: ›Mein Ratschluß soll zustande kommen!‹, und alles, was mir beliebt, führe ich aus;

Psalm 139,4 (Menge):
Denn ehe ein Wort auf meiner Zunge liegt, kennst du, o HERR, es schon genau.

Apostelgeschichte 2,23 (Menge):
…diesen Mann (Jesus), der nach dem festgesetzten Ratschluß und der Vorherbestimmung Gottes euch preisgegeben war, habt ihr durch die Hand der Gesetzlosen ans Kreuz nageln und hinrichten lassen.

Matthäus 10,29–30:
Kosten nicht zwei Sperlinge beim Einkauf nur ein paar Pfennige? Und doch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne den Willen eures Vaters. Bei euch aber sind auch die Haare auf dem Haupte alle gezählt.

Weitere Beispiele finden wir quer durch die Schrift: In Daniel 2 offenbart Gott Nebukadnezar den Lauf der Weltreiche, die noch kommen sollten. In Psalm 33,11 heißt es: „Der Ratschluss des HERRN bleibt ewig bestehen, die Gedanken seines Herzens von Geschlecht zu Geschlecht.“ Solche Stellen zeigen deutlich: Gott kennt nicht nur Möglichkeiten, sondern auch den Ausgang.

Wenn der Offene Theismus recht hätte, wären das doch alles nur Zufälle oder Vermutungen. Aber genau darin zeigt Gott seine Größe: Er weiß was kommt, nichts überrascht Ihn und in allem führt Er seinen Willen aus.

Gott weiß nicht nur, was geschehen könnte, sondern was tatsächlich geschehen wird. Das ist Teil seiner Allwissenheit. Allwissenheit bedeutet eben nicht nur, dass Er in jede Möglichkeit hineinschauen kann, sondern dass Er vollkommen und fehlerlos alles weiß – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Würde man Gott dieses Wissen absprechen, dann wäre Er nicht mehr der Gott der Bibel, sondern ein Gott, der sich erst „weiterentwickeln“ muss. Das wäre ein Gott, der lernt – nicht der ewige „Ich bin“. Und wenn Gott noch lernen muss, dann wäre Er nicht vollkommen. Für mich persönlich ist das eine sehr ernste Konsequenz: Ein Gott, der nicht vollkommen ist, wäre nicht vertrauenswürdig.




Prophezeiung – der Beweis von Gottes Wissen

Ein weiteres großes Problem des Offenen Theismus ist die Frage der Prophetie. Die Bibel ist voll von Aussagen, die weit in die Zukunft hineinreichen – und sich exakt erfüllt haben und auch noch werden. Würde Gott die Zukunft nur als „offen“ sehen, wären solche Prophezeiungen unmöglich oder bloß gewagte Vermutungen.

Doch gerade darin unterscheidet sich der lebendige Gott von allen Götzen: Er kündigt an, was kommt – und er erfüllt es.

Jesaja 42,9 (Menge):
Die früheren Weissagungen, seht, sie sind eingetroffen, und Neues tue ich jetzt kund; ehe es noch sprosst, lasse ich’s euch hören.

Einige Beispiele:

• Der Prophet Micha kündigte Jahrhunderte vorher an, dass der Messias in Bethlehem geboren würde (Micha 5,1). Genau so geschah es bei der Geburt Jesu (Matthäus 2,1).

• Jesus selbst sagte voraus, dass Petrus ihn nicht ein, zwei, sondern dreimal verleugnen würde (Matthäus 26,34). Diese Vorhersage erfüllte sich wortgetreu – und zeigt: Gott kennt nicht nur Möglichkeiten, sondern konkrete Taten.

• Zahlreiche Weissagungen über das Leiden und Sterben Jesu (z. B. Jesaja 53, Psalm 22) erfüllten sich am Kreuz bis ins Detail.

Wie schon gesagt, wenn der Offene Theismus recht hätte, dann wären solche Prophezeiungen entweder Zufall oder menschliche Projektionen. Aber die Bibel zeigt das Gegenteil: Gott steht über der Geschichte, und was er verheißen hat, das geschieht auch. Jede erfüllte Prophezeiung ist ein Beweis, dass Gott die Zukunft nicht nur kennt, sondern sie auch souverän führt.


Zeitgebundenheit des Menschen – Ewigkeit Gottes

Ich denke, dass eines der größten Missverständnisse entsteht, weil wir Menschen an Zeit gebunden sind. Wir erleben Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nacheinander. Wir erinnern uns an das Gestern, wir leben im Heute, und wir blicken erwartungsvoll oder manchmal ängstlich ins Morgen.

Gott jedoch ist nicht an Zeit gebunden. Er ist der „Ich bin“ (2. Mose 3,14) – ewig gegenwärtig. Für ihn gibt es kein „noch nicht“ oder „schon vorbei“. Alles ist ihm gleichermaßen gegenwärtig.

Hebräer 13,8: 
„Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit.“

Offenbarung 1,8: 
„Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott der Herr, der ist und der war und der kommt, der Allmächtige.“

Wenn wir sagen: „Die Zukunft ist offen oder noch unrealisiert “, verwechseln wir unsere begrenzte Perspektive mit Gottes Wirklichkeit. Für uns ist das Morgen ungewiss, für unseren Himmlischen Vater aber liegt es genauso klar vor Augen wie unser Heute.

Das bedeutet nicht, dass wir wie Marionetten wären, die nichts zu sagen haben. Gott hat uns einen freien Willen gegeben, und doch schränkt dieser Gottes Wissen und Plan nicht ein. Er ist souverän und weiß auch mit unseren Entscheidungen – ob gut oder schlecht – umzugehen und sie in seine Ziele einzubauen. Für mich macht das deutlich: Jede Entscheidung zählt. Mit dem, was ich tue oder lasse, gebe ich Gott entweder ein Ja oder ein Nein. Mein freier Wille ist also nicht sinnlos, sondern die Möglichkeit, mich Tag für Tag bewusst zu Gott zu stellen.


Ein Beispiel

Stell dir vor, wir sitzen live im Fußballstadion. Wir sehen, wie die Spieler den Ball passen, angreifen, verteidigen und Tore schießen. Wir fiebern mit, wissen aber nicht, wie das Spiel enden wird. Jeder Pass, jeder Schuss könnte den Ausgang verändern – Spannung pur. o sieht der Offene Theismus Gott: Er „erlebt“ das Spiel in Echtzeit, reagiert auf jeden Zug und erfährt das Ergebnis erst während des Spiels.

Die Bibel zeigt ein anderes Bild: Gott ist nicht überrascht von den Spielzügen. Er ist zugleich Schiedsrichter, Spielleiter und Eigentümer des Endergebnisses – und dennoch handeln die Spieler wirklich, treffen echte Entscheidungen und tragen Verantwortung für ihr Spiel.

Vielleicht hilft ein weiteres Bild: Stell dir vor, das gleiche Spiel wurde bereits aufgezeichnet, während du keine Zeit hattest, live zuzuschauen. Die Spieler kämpfen mit vollem Einsatz, treffen Entscheidungen, erzielen Tore oder verteidigen das eigene Tor. Wer live zuschaut, weiß nicht, wie es endet. Du aber siehst die Aufzeichnung und kennst das Ergebnis schon, noch bevor du die Szenen siehst.

So ist es mit Gott: Für uns ist die Geschichte voller Unsicherheit und Überraschungen, wir erleben sie „live“ in der Zeit. Für Gott hingegen ist alles von Anfang an klar – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft liegen gleichzeitig vor ihm. Er kennt das Endergebnis, nicht, weil er es von außen festlegt, sondern weil er ewig gegenwärtig ist und alles immer sieht.


Sicherheit, Trost und Kraft aus Gottes Allwissenheit

Für mich ist das keine theoretische Spitzfindigkeit, sondern hat direkten Einfluss darauf, wie ich lebe und glaube:

• Trost im Leid: Wenn wir durch schwere Zeiten gehen, dürfen wir wissen, dass Gott nicht überrascht ist. Nichts geschieht außerhalb seiner souveränen Hand.
• Kraft im Gebet: Wir beten nicht zu einem Gott, der Pläne ständig neu schmiedet, sondern zu einem Vater, der die ganze Geschichte schon kennt – und uns dennoch echte Teilhabe im Gebet schenkt.
• Sicherheit für die Zukunft: Wir müssen die Welt nicht „retten“, weil Gott selbst das Ende in seiner Hand hält. Unsere Aufgabe ist es, treu zu bleiben, nicht die Kontrolle zu übernehmen.

So wird die Souveränität unseres himmlischen Vaters nicht zu einem kalten Dogma, sondern zu einer Quelle von Frieden und Geborgenheit.




Die Gefahr in der NAR

Hier zeigt sich die Verbindung zur NAR deutlich: Wer glaubt, dass die Zukunft offen ist, sieht angeblich alles als von uns abhängig. Dann müssen wir „strategisch handeln“, „geistliche Kriegsführung“ betreiben und „die sieben Berge einnehmen“, damit Gottes Reich sich durchsetzt. Aber das verschiebt die Verantwortung von Gott auf uns Menschen – und öffnet Tür und Tor für geistlichen Missbrauch. Plötzlich werden Apostel und Propheten gebraucht (fünffältigen Dienst“ / engl. Five-Fold Ministry), die die Richtung weisen, weil Gottes Wille angeblich nicht feststeht. Und damit wird die Gemeinde von Leitern abhängig gemacht – anstatt von Christus selbst. Ich sehe darin eine große Gefahr, denn die Autorität wandert von der Bibel zu selbsternannten Führern.

Diese beanspruchen dann meistens einen besonderen Draht zu Gott, durch den angeblich neue Offenbarungen des Heiligen Geistes fließen. So, heißt es, würden Jesus und der Vater durch den Heiligen Geist heute ihren Willen kundtun. Dieses Thema werde hoffentlich bald in einem separaten Beitrag noch vertiefen.

• Das gibt Menschen eine Autorität, die sie laut der Bibel nicht haben.
• Sie werden zu angeblichen Mitgestaltern von Gottes Geschichte.
• Es entsteht ein geistliches Klassensystem: „normale“ Christen hier – „besondere“ Apostel und Propheten dort.
• Der Schwerpunkt verschiebt sich von Gottes Treue zu unserer Leistung.
• Sicherheit in Gottes Verheißungen wird durch Unsicherheit ersetzt („Was, wenn ich es falsch gemacht habe? Habe ich Gott die Hände gebunden?“).


Mein Fazit

Der Offene Theismus klingt verlockend modern, aber er raubt uns die Sicherheit, die Gott uns in seinem Wort schenkt. Er stellt Gott als begrenzt dar und macht den Menschen zum Entscheidungsträger über Gottes Pläne. Damit untergräbt er die Souveränität Gottes und öffnet Tür und Tor für Bewegungen wie die NAR, die den Menschen an die Stelle Gottes rücken.

Die Bibel zeigt uns dagegen einen Gott, der ewig gegenwärtig ist – der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zugleich in seiner Hand hält. Nur weil wir an Zeit gebunden sind, heißt das nicht, dass Gott es ist.

Gerade in Zeiten, in denen uns so viele Strömungen versuchen uns zu beeinflußen, brauchen wir den festen Halt in dem Gott, der von Ewigkeit zu Ewigkeit derselbe ist, dessen Pläne unveränderlich sind und dessen Wort zuverlässig bleibt. Wir dürfen wissen: Unsere Geschichte ist nicht dem Zufall ausgeliefert, sondern liegt in seiner sicheren Hand.

„Jesus Christus ist gestern und heute derselbe und (ist’s auch = bleibt’s auch) in Ewigkeit!“ (Hebräer 13,8 Menge)

„Denn ich weiß wohl, was für Gedanken ich gegen euch hege‹ – so lautet der Ausspruch des HERRN –, ›nämlich Gedanken des Heils und nicht des Leids, euch eine Zukunft und Hoffnung zu gewähren.“ (Jeremia 29,11)

Das ist unser Anker: Nicht wir tragen Gott mit unseren Entscheidungen, sondern er trägt uns – sicher, verlässlich, bis ans Ziel.

In diesem Sinne, taucht tief in Gottes Wort ein und prüft alles im Licht Seiner Wahrheit.


Eure Lizzy

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