Anthropomorphe Sprache in der Bibel
Das "Geheimnis zur Wahrheit" liegt im sogenannten Anthropomorphismus (Wikipedia): Die Bibel beschreibt Gott oft in menschlichen Kategorien – mit Händen, Augen, menschlichen Gefühlen wie zum Beispiel des „Bereuens“. Das bedeutet nicht, dass Gott tatsächlich körperlich oder zeitlich begrenzt ist. Vielmehr gebraucht die Bibel menschliche Sprache, damit wir Seine Handlungen und Sein Wesen in einer für uns greifbaren Form verstehen können.
1. Mose 6 – Gottes Trauer über die Sünde
„Da gereute es Ihn [den HERRN], die Menschen auf der Erde geschaffen zu haben, und Er wurde in Seinem Herzen tief betrübt.“ (1. Mose 6,6 Menge)
Der offene Theismus nimmt diesen Vers als Beweis, dass Gott eine anscheinliche Fehlentscheidung bereut hätte. Doch das hebräische Wort beschreibt ein tiefes inneres Bewegtsein – Schmerz, Trauer, Mitleid. Der Text macht deutlich, wie ernst Gott die Sünde nimmt.
➡️ Im Gegensatz dazu:
„Vom Himmel blickt der HERR herab, sieht alle Menschenkinder; von der Stätte, wo Er wohnt, überschaut Er alle Bewohner der Erde, Er, der allen ihr Herz gestaltet, der acht hat auf all ihr Tun.“ (Psalm 33,13–15 Menge)
Gott ist nie überrascht, sondern kennt von Anfang an die Herzen und Taten der Menschen.
2. Mose 32 – Gottes Handeln im Licht der Fürbitte
„Da ließ der HERR sich das Unheil leid sein, das Er Seinem Volk zugedacht hatte.“ (2. Mose 32,14 Menge)
Hier könnte man meinen, Gott hätte Seinen Plan geändert. Aber wenn wir im Kontext lesen, finden wir heraus, dass in Wirklichkeit Gott Mose die gerechte Folge des Götzendienstes offenbart, um Mose zum Eintreten für das Volk zu bewegen. Das vermeintliche „Reuen“ zeigt uns, dass Fürbitte in Gottes Ordnung Platz hat. Mose wird so zu einem Bild für Christus, den ewigen Vermittler.
➡️ Im Gegensatz dazu:
„Groß ist unser Herr und allgewaltig, für Seine Weisheit gibt’s kein Maß.“ (Psalm 147,5 Menge)
Gott musste nicht „umdenken“, weil Ihm etwas entgangen wäre – Er handelt vollkommen wissend und vollkommen souverän.
Jeremia 18 – Das Prinzip von Gericht und Gnade
„Einmal drohe Ich einem Volke oder einem Königshause, daß Ich es ausrotten, vernichten und vertilgen wolle; wenn dann aber das betreffende Volk, gegen das Meine Drohung gerichtet war, sich von seiner Bosheit bekehrt, so lasse Ich Mir das Unheil leid sein, das Ich ihm zuzufügen beschlossen hatte. Und ein andermal verheiße Ich einem Volke oder einem Königshause, es aufbauen und einpflanzen zu wollen; wenn es dann aber tut, was Mir mißfällt, indem es Meinen Weisungen nicht nachkommt, so lasse Ich Mir das Gute leid sein, das Ich ihm zu erweisen gedacht hatte.“ (Jeremia 18,7–10 Menge)
Hier erklärt Gott selbst das Prinzip: Gericht gilt, solange keine Umkehr geschieht; Gnade gilt, wo Buße da ist. Es ist nicht Gott, der sich verändert, sondern die Menschen.
➡️ Im Gegensatz dazu:
„Denkt an die früheren Geschehnisse zurück von der Urzeit her, daß Ich Gott bin und sonst keiner, eine Gottheit, der nichts vergleichbar ist! Ich habe von Anfang an den Ausgang kundgetan und seit der Vorzeit das, was noch ungeschehen war; Ich gebiete: ›Mein Ratschluß soll zustande kommen!‹, und alles, was Mir beliebt, führe Ich aus.“ (Jesaja 46,9–10 Menge)
Das Beispiel Jona – Gottes Wesen statt Gottes Unwissenheit
„Als nun Gott sah, was sie taten, daß sie nämlich von ihrem bösen Wege umkehrten, tat Ihm das Unheil leid, das Er ihnen angedroht hatte, und Er ließ es nicht eintreten.“ (Jona 3,10 Menge)
Der offene Theismus liest diesen Vers so, als hätte Gott nicht gewusst, wie Ninive reagieren würde. Doch Jona selbst wusste von Anfang an, dass Gott barmherzig ist:
„…so daß er folgendes Gebet an den HERRN richtete: ›Ach, HERR, das ist es ja, was ich gedacht habe, als ich noch daheim war, und eben darum habe ich das vorige Mal die Flucht nach Tharsis ergriffen; denn ich wußte wohl, daß Du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langsam zum Zorn und reich an Güte und geneigt, Dich das Unheil gereuen zu lassen.‹“ (Jona 4,2 Menge)
Jona floh also gerade deshalb, weil er Gottes Wesen kannte: wenn Menschen umkehren, schenkt Gott Gnade. Das „Reuen“ beschreibt also nicht Überraschung oder Unwissen, sondern Gottes festes Wesen: Er richtet die Gottlosen, aber Er vergibt den Demütigen.
➡️ Im Gegensatz dazu:
„…und es gibt nichts Geschaffenes, das sich vor Ihm verbergen könnte, nein, alles liegt entblößt und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft abzulegen haben.“ (Hebräer 4,13 Menge)
Der rote Faden
Wenn wir diese Stellen zusammensehen, zeigt sich ein roter Faden:
- 1.Mose 6: Gott ist nicht überrascht, sondern zutiefst betrübt über die Sünde.
- 2.Mose 32: Gott macht uns die Bedeutung der Fürbitte klar.
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Jeremia 18: Gott selbst erklärt das Prinzip von Gericht und Gnade.
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Jona 3–4: Gottes Barmherzigkeit steht im Zentrum – Jona wusste das von Anfang an.
Alle diese Texte gebrauchen anthropomorphe Sprache, damit wir begreifen, dass Gott kein ferner Gott ist, sondern ein persönlicher, heiliger und gnädiger Gott. Doch keiner dieser Verse lehrt, dass Gott die Zukunft nicht kennt. Ganz im Gegenteil: Sie zeigen, dass Sein Wesen immer und verlässlich unverändert bleibt – in Gericht und Gnade. Das finde ich persönlich sehr tröstlich.
Die klare biblische Lehre von Gottes Allwissenheit und Souveränität
Gottes Wissen umfasst Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
„… denn ehe ein Wort auf meiner Zunge liegt, kennst Du, o HERR, es schon genau.“ (Psalm 139,4 Menge)
„Bei euch aber sind auch die Haare auf dem Haupte alle gezählt.“ (Matthäus 10,30 Menge)
„Daran werden wir erkennen, daß wir aus der Wahrheit sind, und werden unsere Herzen vor Ihm davon überzeugen, daß, wenn unser Herz uns verurteilt, Gott größer ist als unser Herz und alles erkennt.“ (1. Johannes 3,19-20 Menge)
Gottes Vorherwissen und Ratschluß in der Heilsgeschichte
Die Bibel zeigt uns immer wieder, dass Gottes Vorherwissen die Grundlage Seines Handelns ist:
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Die Kreuzigung Jesu: „… diesen Mann, der nach dem festgesetzten Ratschluß und der Vorherbestimmung Gottes euch preisgegeben war, habt ihr durch die Hand der Gesetzlosen ans Kreuz nageln und hinrichten lassen.“ (Apostelgeschichte 2,23 Menge)
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Die Erwählung: „Denn die, welche Er zuvor ersehen hat, die hat Er auch im voraus dazu bestimmt, (einst) dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden…“ (Römer 8,29 Menge)
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Der Ratschluß Gottes: „Vielerlei Pläne sind im Herzen eines Menschen, aber der Ratschluß des HERRN, der wird zustande kommen.“ (Sprüche 19,21 Menge)
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„Denkt an die früheren Geschehnisse zurück von der Urzeit her, daß Ich Gott bin und sonst keiner, eine Gottheit, der nichts vergleichbar ist! Ich habe von Anfang an den Ausgang kundgetan und seit der Vorzeit das, was noch ungeschehen war; Ich gebiete: ›Mein Ratschluß soll zustande kommen!‹, und alles, was Mir beliebt, führe Ich aus.“ (Jesaja 46,9–10 Menge)
Nichts in der Heilsgeschichte geschieht zufällig. Selbst das größte Unrecht – die Kreuzigung des Sohnes Gottes – war kein unvorhergesehenes Unglück, sondern Teil von Gottes ewigem Plan.
Prophezeiung als Beweis von Gottes Allwissenheit
Ein starkes Argument für Gottes Allwissenheit ist die Prophezeiung. Gott selbst gebraucht sie als Beweis Seiner Göttlichkeit:
„Ich habe von Anfang an den Ausgang kundgetan und seit der Vorzeit das, was noch ungeschehen war; Ich gebiete: ›Mein Ratschluß soll zustande kommen!‹, und alles, was Mir beliebt, führe Ich aus.“ (Jesaja 46,10 Menge)
Die Erfüllung unzähliger Prophezeiungen – von den Verheißungen an Abraham über die Worte der Propheten bis hin zu den Weissagungen über Jesus Christus – zeigt: Gott kennt und lenkt die Geschichte.
Gottes Allwissenheit als Trost für die Gläubigen
Gottes Allwissenheit ist nicht nur ein theologisches Konzept, sondern eine Quelle tiefen Trostes:
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Wir dürfen wissen: Gott sieht unser Leid (2. Mose 3,7).
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Er kennt unseren Weg, auch wenn wir selbst ihn nicht verstehen (Psalm 139,1–3).
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Er weiß, was wir brauchen, ehe wir Ihn bitten (Matthäus 6,8).
Meiner Meinung nach ist ein Gott, der nicht alles weiß, kein Gott, dem wir vertrauen könnten.
Mein persönliches Fazit
Der offene Theismus versucht, Gott in menschliche Kategorien zu pressen und Ihn verständlicher zu machen. Doch in Wahrheit macht er Ihn kleiner, als Er ist. Er raubt uns den Trost, den die Schrift uns geben will: dass Gott über allem steht, alles weiß und alles lenkt.
Wenn ich auf mein eigenes Leben schaue, wäre es ohne diesen Trost kaum denkbar. Ich habe selbst Momente erlebt, in denen die Zukunft dunkel und ungewiss erschien. Wenn Gott die Zukunft erst abwarten müsste wie ich, wäre ich letztlich auf mich selbst gestellt – wo bleibt da meine Hoffnung? Mein Trost ist zu wissen, dass mein Herr die Zukunft kennt, dass Ihn nichts überrascht und dass Ihm selbst mein Versagen nicht verborgen ist – das gibt mir Ruhe.
Darum halte ich fest: Nicht wir definieren, wie groß oder wie begrenzt Gott ist. Er selbst hat uns in Seinem Wort gezeigt, dass Er der Ewige ist, der Anfang und Ende kennt, dessen Ratschluß bestehen bleibt und dessen Treue unerschütterlich ist.
Das ist kein Gott nach menschlichem Maß, sondern der lebendige Gott, IHM allein gebührt alle Ehre.
Eure Lizzy