Wenn Heilung ausbleibt: Eine Täuschung der „Wort des Glaubens“-Lehre
Eigentlich
hatte ich vor, über etwas anderes zu schreiben – genauer gesagt, über die Neue
Apostolische Reformation. Doch je mehr ich mich mit ihr beschäftigte, desto
deutlicher wurde mir, wie sehr ihre Lehre auf den Ideen der "Wort des Glaubens"-Bewegung fußt. Bevor ich also weiter in diese Richtung gehe,
scheint es mir notwendig, zuerst dieses Fundament offenzulegen.
Und ehrlich
gesagt: Auch ein persönlicher Anlass hat mich zu diesem Beitrag bewegt. Ein
lieber Freund von mir ist kürzlich plötzlich an einem Herzinfarkt verstorben.
Wir hatten gebetet, wir hatten gehofft – und doch hat Gott ihn in seiner
Weisheit nicht geheilt, sondern heimgerufen. Dieser Verlust hat viele Gedanken
in mir ausgelöst – über Glauben, Heilung und über die Erwartungen, die manche
Gläubige mitbringen, oft mehr geprägt durch bestimmte Lehren als durch die
Schrift selbst.
Deshalb ist
dieser Beitrag nicht der, den ich geplant hatte – aber vielleicht der, der
jetzt geschrieben werden musste.
Meine erste Begegnung mit dieser Lehre
Mein erster
Kontakt mit dieser Art von Botschaft war durch die Bücher von Catherine Ponder. Sie gehört zur sogenannten New Thought-Bewegung (Neugeist). Für
mich öffneten ihre Bücher die Tür zu esoterischen und okkulten Vorstellungen –
getarnt in christlicher Sprache. Sie war Teil der Unity Church, zitierte
häufig die Bibel und sprach von Gottes Herrlichkeit. Doch in Wahrheit handelte
es sich um eine tiefgreifende Verzerrung der biblischen Botschaft und um ein
Gottesbild, das mehr mit Magie als mit Gnade zu tun hat.
Immer wieder
wurden Bibelstellen aus dem Zusammenhang gerissen, die Verantwortung für Wunder
dem Glaubenden aufgebürdet. Diese Denkweise ist nicht neu. Ihre modernen
Wurzeln finden sich bei Personen wie Maria Woodworth-Etter, John G.
Lake, Charles Parham oder William Branham – Gestalten, die
stark mit der frühen charismatischen Bewegung und Heilungserweckungen des 19.
und frühen 20. Jahrhunderts verbunden sind.
Die
detaillierte Aufarbeitung der historischen Entwicklung und weltweiten
Verbreitung dieser Ideen ist komplex. Deshalb möchte ich mich hier auf die
heutige Anwendung und Verbreitung konzentrieren.
Was ist das Wort-des-Glaubens
Vorstellung,
dass im gesprochenen Wort eine kreative Kraft liegt. Diese Kraft, die im
Schöpfungsbericht von 1. Mose 1 deutlich wird, wird jedoch nicht allein Gott
zugeschrieben. Vielmehr behaupten manche Lehrer dieser Bewegung, dass auch
Christen über diese schöpferische Fähigkeit verfügen – schließlich hat uns Gott
in seinem Ebenbild geschaffen.
In manchen
Fällen geht das so weit, dass Menschen gar als „kleine Götter“ bezeichnet
werden.
Heutige Verfechter dieser Lehre sind z. B. Kenneth Copeland, Benny
Hinn, Joseph Prince, Bill Johnson (Bethel) – und noch viele
mehr.
In Teilen
dieser neo-charismatischen Bewegung gibt es eine weitverbreitete Lehre, die
besagt:
Es ist immer
Gottes Wille zu heilen.
Lass das einen
Moment sacken.
Wenn das wirklich wahr wäre, stellt sich unweigerlich eine Frage:
Warum gibt
es dann noch so viele kranke Menschen – auch Christen?
Warum gibt
es kranke Babys?
Warum
erkranken Menschen an Krebs?
Warum
werden manche Kinder mit schweren Behinderungen geboren?
Diese Fragen
führen uns bereits zum Kern des Problems.
Denn wenn diese Lehre stimmt – warum sieht unsere Welt dann so grundlegend
anders aus?
Um mit diesem
Widerspruch umzugehen, bleiben am Ende nur zwei Erklärungen:
Es ist unsere Schuld.
Es ist Gottes Schuld.
Beide Antworten
sind zerstörerisch für den Glauben – und beide werfen schwerwiegende
theologische Probleme auf, die ich hier näher betrachten möchte.
Was die Bibel wirklich sagt
Gott hat uns
kein leidfreies Leben versprochen.
Er hat uns nicht garantiert, dass wir in diesem Leben immer gesund sein werden.
Aber Er hat versprochen:
„In der
Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ –
Johannes 16,33
„Meine
Gnade genügt dir, denn meine Kraft kommt in Schwachheit zur Vollendung.“ – 2. Korinther 12,9
„Dreimal
habe ich den Herrn gebeten, dass er von mir ablasse.“ – 2. Korinther 12,8
Gottes Antwort
war keine Heilung, sondern Gnade.
Selbst Jesus,
im Garten Gethsemane, betete:
„Vater, wenn du
willst, nimm diesen Kelch von mir. Doch nicht mein, sondern dein Wille
geschehe.“ – Lukas 22,42
Er wurde nicht
vom Leiden verschont – sondern ging bewusst hindurch. Für uns.
Punkt 1: Es ist unsere Schuld...
Wenn man der Logik dieser Lehre folgt, gibt es viele Gründe, warum es nicht klappt:
•Du hast nicht genug Glauben •Du zweifelst •Jemand in deinem Umfeld zweifelt •Du hast nicht genug gebetet •Es gibt verborgene Sünde •Du hast nicht genug gespendet – am besten an den Lehrer, der diese Botschaft verbreitet
...und so weiter.
Seht ihr das Problem?
Es geht nur noch um uns – um unsere Leistung, unsere Anstrengung, unseren Mangel.
Wir werden zu denjenigen, die Gott überzeugen müssen.
Und nicht nur das: Nach dieser Logik scheint Gott ohne unser Zutun gar nicht handeln zu können. Oder anders gesagt: Unser Versagen hindert Gott daran, Seinen Willen auszuführen.
Was für ein erschütterndes Gottesbild – als wäre der Schöpfer des Himmels und der Erde abhängig von der Leistung seiner Geschöpfe.
Und so wird gebetet, gehofft, gekämpft. Und irgendwann setzt die Verzweiflung ein. Dann kommen schnell die Fragen wie:
•Was mache ich falsch? •Was stimmt nicht mit mir? •Warum heilt Gott andere, aber nicht mich? •Liebt Er mich überhaupt?
Punkt 2: Es ist Gottes Schuld...
Wenn man alles „abgearbeitet“ hat – geglaubt, gefastet, bekannt, gespendet – und es passiert trotzdem nichts, dann bleibt nur noch der Gedanke:
Vielleicht ist Gott das Problem.
Wenn das Versprochene nicht eintritt, dann beginnt man zu zweifeln:
•Ist Gott wirklich gut? •Ist Er vertrauenswürdig? •Ist Er überhaupt allmächtig? •Oder ist Er – Gott bewahre – ungerecht?
Solche Gedanken, ob laut ausgesprochen oder innerlich getragen, sind gefährlich. Sie führen zu einem verzerrten Gottesbild, das mehr mit Enttäuschung als mit Offenbarung zu tun hat – genährt durch falsche Erwartungen und irreführende Lehren.
Die Folge:
Das Gebet wird kraftlos, Glaube wird zu Frustration, Anbetung verstummt…. Und leider kommen viele an den Punkt zu denken: „Nach all dem – es gibt keinen Gott…“
Woher kommt die Vorstellung, dass Gott immer heilen will?
Zwei Bibelverse werden besonders oft als Beleg für diese Lehre herangezogen:
•„Durch seine Wunden sind wir geheilt.“ – Jesaja 53,5
•„Und viele folgten ihm (Jesus), und er heilte sie alle.“ – Matthäus 12,15
Doch die entscheidende Frage bleibt:
Bezieht sich diese „Heilung“ wirklich auf körperliche Gesundheit – und zwar jederzeit, für jeden?
Ich wage zu sagen: Nein.
In 1. Petrus 2,24 wird deutlich, dass sich die Heilung, von der Jesaja spricht, in erster Linie auf unsere Sünde und das Verhältnis zu Gott bezieht – nicht auf Krankheiten im physischen Sinne. Es geht um Erlösung, nicht um garantierte Gesundheit in diesem Leben.
Heilt Gott? Ja.
Garantiert Er es? Nein.
Tut Gott heute noch Wunder? Ja.
Aber: Hat Er uns Heilung in jedem Fall, zu jeder Zeit versprochen? Nein.
Meine liebe Mama hat mir einmal etwas gesagt, das ich nie vergessen habe. Sie sagte, dass Gott auf drei Arten heilt:
1.Sofort – das ist ein Wunder. 2.Im Prozess – das ist Genesung. 3.Durch den Tod – das ist Erlösung und Auferstehung.
Wer ist Gott wirklich?
Er ist Gott.
Heilig. Souverän. Barmherzig. Und gerecht.
·Also ist Gott kein Roboter.
·Kein Wunsch-Erfüller.
·Kein Flaschengeist.
·Kein spiritueller
Dienstleister.
·Kein kosmischer
Butler, der auf unsere Befehle wartet.
Manchmal sagt Er „nein“. Oder „noch nicht“. Nicht aus Lieblosigkeit, sondern weil Seine Weisheit über unser Verstehen hinausgeht.
Das ist vielleicht kein Trost in der ersten Trauer.
Aber auf lange Sicht ist ein Gott, der nicht unserem Willen folgt, sondern das Universum lenkt, der einzige Gott, dem wir wirklich vertrauen können.
Ein letzter Gedanke (für den Moment)
Die falsche Lehre, dass Gott immer heilen will, lässt uns am Ende nur zwei Orte, an denen wir die Schuld suchen, wenn Heilung ausbleibt: bei uns – oder bei Gott.
Beides ist zerstörerisch. Beides ist unbiblisch.
Doch das Evangelium ist größer.
Heilung ist nicht das Ziel – Christus ist es.
Ob Heilung heute geschieht, morgen oder erst in der Ewigkeit:
Wir haben das Kostbarste schon empfangen – Ihn selbst.
Deshalb ist es entscheidend, dass wir unser Gottesbild nicht aus Erfahrungen, Gefühlen oder Enttäuschungen formen, sondern aus der Schrift. Die Bibel zeigt uns einen Gott, der treu ist – auch wenn wir ihn nicht verstehen. Einen Gott, der uns nicht immer von Krankheit befreit, aber uns durch sie hindurchträgt. Einen Gott, der uns nicht alles gibt, was wir wollen, aber alles, was wir wirklich brauchen.
In diesem Sinne, taucht tief in Gottes Wort ein und prüft alles im Licht Seiner Wahrheit.
ich litt gerade mal wieder unter einer kleinen Schreibblockade. Die scheine ich nun überwunden zu haben – schnallt euch an, heute wird’s lang.
Die letzten Monate waren ziemlich schwierig für mich. Ich habe ja bereits darübergeschrieben, wie sich bei mir immer größere Zweifel breit machten über das, was ich in meiner Gemeinde hörte, und welche Lehren sich langsam einschlichen. Darauf folgten Wochen – ja, Monate – intensiven Studiums, um für mich selbst zu klären, ob all das dem Wort Gottes entspricht. Die Antworten, die ich fand, waren schwer für mich einzugestehen.
Hatte unser Herr Jesus mich denn nicht in seiner Gnade aus der Esoterik herausgerufen? Hatte ich mir nicht fest vorgenommen, nie wieder von seinem Wort abzuweichen?
Und doch – ungewollt und schleichend – haben sich falsche Lehren und Ideen in unsere Gemeinde eingeschlichen, und ich habe es nicht sofort bemerkt. Am Ende musste ich die schwere Entscheidung treffen, zu gehen.
Zur Erinnerung: Ich lebe im europäischen Süden, und meine Gemeinde war englischsprachig – deshalb sind nicht alle meine Schwierigkeiten leicht zu erklären. Viel hängt damit zusammen, welches Material in der Sonntagslehre verwendet wurde und welchen Einfluss gewisse „Pastoren“ oder „Bibellehrer“ in unserer Gemeinde hatten.
Eines der Probleme war zum Beispiel die Nutzung einer sogenannten „Bibelübersetzung“ namens The Passion Translation. Dieses Werk – man kann es schwerlich eine Bibel nennen – ist, Gott sei Dank, bislang noch nicht ins Deutsche übersetzt worden. Doch im englischsprachigen Raum richtet es bereits seit Jahren Schaden an. Es handelt sich um ein Projekt von Brian Simmons, der nach eigener Aussage einen Besuch von Jesus persönlich empfangen habe. Dabei, so sagt er, habe Jesus ihm den Auftrag gegeben, die Bibel – nach fast 2000 Jahren – nun „richtig“ zu übersetzen. Jesus würde ihm dafür neue Offenbarungen schenken, sogar „Geheimnisse“ der hebräischen und aramäischen Sprache.
Einige von euch denken jetzt vielleicht:
„Wie bitte? Ist das dein Ernst? Jesus persönlich? Eine neue Übersetzung? Ist meine Bibel etwa falsch? Habe ich das richtig gelesen?“
Ja, ihr habt richtig gelesen. Aber keine Sorge – deine Bibel ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine solide, zuverlässige Übersetzung. (Ich komme später beim Thema Peer-Review noch einmal darauf zurück.)
Leider ja ich meine das Ernst – ich verlinke hier das Video von Brian Simmons in der Sendung von Sid Roth (It’s Supernatural!). In seinen eigenen Worten erklärt er dort, wie er zu diesem außergewöhnlichen Projekt gekommen sei.
Ich hatte meine Gemeinde bereits Mitte 2023 vor dieser „Übersetzung“ gewarnt. Als damals The Passion Translation Einzug in die sonntägliche Lehre meiner Gemeinde erhielt, wurde ich – als bekennender Bibel-Sammler – natürlich neugierig. (Ich habe aber große Mühe damit, dieses Werk überhaupt als Bibel zu bezeichnen.)
Ich begann ein wenig zu recherchieren – und fand wortwörtlich innerhalb von fünf Minuten Googeln die ersten massiven Probleme und ernsthafte Kritik. Was ich im Folgenden zusammenfasse, ist nur ein kleiner Ausschnitt – es gibt weitaus mehr:
Zum Autor (Brian Simmons):
Keine nachweisbaren Qualifikationen in Aramäisch oder anderen biblischen Sprachen
Selbsternannter „Apostel“ ohne theologische Legitimation
Der Doktortitel stammt vom Wagner Leadership Institute (Fokus: praktisches Gebet), nicht von einer anerkannten theologischen Fakultät
Probleme der Passion Translation:
Simmons behauptet, Jesus sei ihm erschienen und habe ihn zu einer neuen Bibelübersetzung beauftragt – ein Vorgang, der in seiner Radikalität an die Entstehung der Mormonenbewegung erinnert
Die angeblich „neue Offenbarung“ widerspricht der im Neuen Testament abgeschlossenen Offenbarung Christi (vgl. Epheser 3)
Jesus wird in dieser Übersetzung oft eher als romantische Figur denn als heiliger Gott dargestellt
Simmons agiert als alleiniger Übersetzer ohne ausreichende Expertise in den biblischen Ursprachen (nach viel externer Kritik und Fragen steht das heute auf der Webseite anders aber die Gruppe der Prüfer werden nicht bekannt gemacht)
Es gibt keinerlei unabhängige Überprüfung oder Peer-Review Die aramäischen Manuskripte, auf die er sich angeblich bezieht, stammen aus dem 5. Jahrhundert – also Jahrhunderte nach den Urschriften
Es wird nicht offengelegt, auf welchen Manuskripten seine Übersetzung tatsächlich basiert
Viele Begriffe und ganze Passagen sind frei hinzugefügt – sie spiegeln Simmons’ persönliche Interpretation wider
Wortstudien auf Basis dieser „Übersetzung“ sind nicht möglich, da Begriffe durch freie Paraphrasen ersetzt wurden
Peer-Review – Bibelkommissionen - Kann ich meiner Bibel vertrauen?
Jede seriöse Bibelübersetzung wird von einem Team aus Theologen, Sprachwissenschaftlern und Historikern erstellt. Wenn du deine Bibel vorne aufschlägst, findest du dort in der Regel die Namen und Hintergründe der beteiligten Personen.
Diese sogenannten Bibelkommissionen befassen sich mit der sorgfältigen Untersuchung des biblischen Textes in seinem historischen, sprachlichen und kulturellen Kontext. Sie prüfen neu entdeckte Manuskripte, gleichen verschiedene Quellen ab und erklären, wo und warum Änderungen vorgenommen wurden – etwa wenn eine klarere Übersetzung gefunden wurde oder neue, gut bezeugte Handschriften auftauchen.
Ganz entscheidend: Eine Kommission stellt sicher, dass keine persönlichen Interpretationen oder theologischen Tendenzen den Text verfälschen.
Die Passion Translation unter der Lupe
Da The Passion Translation bislang nicht ins Deutsche übersetzt wurde, habe ich die Passagen selbst übertragen. Ich bitte um Nachsicht und Vertrauen, dass ich dies nach bestem Wissen und Gewissen getan habe. Sollte jemand Fehler finden, kontaktiert mich bitte in den Kommentaren – ich werde eure Hinweise gern prüfen. Ihr merkt schon: Man braucht eigentlich eine Kommission!
Weil dieser Beitrag im Ganzen recht lang wird, werde ich mich im Folgenden auf zwei Beispielverse beschränken.
Beispiel: Römer 12,6
Elberfelder Bibel:
„Da wir aber verschiedene Gnadengaben haben, nach der uns verliehenen Gnade: es sei Weissagung, so lasst uns weissagen nach dem Maß des Glaubens;“
Passion Translation (deutsch):
„Gottes wunderbare Gnade hat jedem von uns unterschiedliche Gaben und Dienste gegeben, die ganz einzigartig sind. Wenn dir also die Gnadengabe der Prophetie gegeben wurde, dann aktiviere deine Gabe, indem du im Maß deines Glaubens prophezeist.“
Aktiviere deine Gaben?
Was soll das heißen? Das klingt eher nach einer Einweihungszeremonie der Esoterik als nach neutestamentlicher Lehre.
Was sagt die Bibel?
Diese Formulierung hat keine Grundlage im Wort Gottes. Der Apostel Paulus lehrt in 1. Korinther 12, dass die dort genannten Gnadengaben vom Heiligen Geist verliehen werden – nicht „aktiviert“ werden. Der Geist teilt sie aus, wie Er will (1. Kor 12,11). Niemand kann sich selbst eine Gabe aussuchen oder sie durch eine Handlung „freischalten“.
Paulus unterstreicht das mit einer Reihe rhetorischer Fragen:
„Sind alle Apostel? Sind alle Propheten? Sind alle Lehrer? Wirken alle Wunder? Haben alle Gnadengaben der Heilungen? Reden alle in Sprachen? Legen alle aus?“ (1. Kor 12,29–30).
Die offensichtliche Antwort lautet: Nein.
Beispiel: Matthäus 5,4
Elberfelder Bibel:
„Glückselig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden!“
Passion Translation (deutsch):
„Welch eine Freude ist es, wenn ihr auf den Herrn wartet! Denn ihr werdet finden, wonach ihr euch sehnt.“
Verwirrt?
Die Verse klingen vollkommen unterschiedlich. Was geht hier vor?
Der Vergleich:
Die Elberfelder bleibt nah am griechischen Urtext. „Trauernde“ (gr. penthéō, Strong G3996) bedeutet tiefes Leid oder Reue – z. B. über Sünde oder Verlust. „Getröstet werden“ (parakaleō, Strong G3870) verweist auf Gottes Verheißung, die Leidenden zu trösten (vgl. Jes 61,2–3).
Die Passion Translation ersetzt „Trauer“ durch „Warten“ und „Trost“ durch „erfüllte Sehnsüchte“. Diese Begriffe entstammen einem ganz anderen Bedeutungsfeld. „Warten“ (hebr. qavah, Strong H6960) bedeutet eher Hoffen oder Erwarten, aber sicher nicht Trauern.
Simmons’ Fußnote:
Er behauptet dort, „Trauern“ und „Warten“ seien „fast identisch“.
Doch penthéō (Trauer) und qavah (Hoffnung/Warten) sind völlig unterschiedliche Begriffe – sowohl sprachlich als auch theologisch. Diese Erklärung verwirrt mehr, als dass sie hilft.
Warum ist das ein Problem?
Die Elberfelder Bibel bewahrt die tiefe, tröstende Aussage Jesu: Gott sieht die Trauernden – und Er tröstet sie. Simmons hingegen ersetzt diese Zusage durch eine weichgezeichnete Vorstellung von „Freude“ und „erfüllter Sehnsucht“. Das klingt zwar schön – aber es ist keine Übersetzung, sondern eine Umdeutung. Und sie verändert die Botschaft.
Simmons’ Methode zeigt: Er setzt auf emotionale Wirkung – nicht auf sprachliche Treue oder sorgfälltige Auslegung.
Wie konnte so etwas Einzug in unsere Gemeinde halten?
Diese Frage habe ich mir oft gestellt. Wie konnte eine solch fehlerhafte „Übersetzung“ so selbstverständlich in einer Gemeinde verwendet werden, in der doch angeblich das Wort Gottes die höchste Autorität haben sollte? Ich glaube, die Antwort ist vielschichtig – und gleichzeitig erschreckend einfach.
Ein Teil des Problems liegt sicher in mangelnder biblischer Lehre. Wenn Christen nicht regelmäßig selbst in der Heiligen Schrift lesen, wenn sie nicht wissen, was sie glauben und warum, dann entsteht ein Vakuum. Und dieses Vakuum wird schnell von Angeboten gefüllt, die zwar emotional ansprechend, aber inhaltlich gefährlich sind.
Brian Simmons schreibt mit blumigen Worten, er spricht ständig von „Liebe“, „Leidenschaft“ und „Gegenwart Gottes“. Das klingt erst einmal gut. Aber genau darin liegt die Gefahr: Der emotionale Zugang ersetzt das Studium des Wortes. Gefühle treten an die Stelle von Wahrheit. Und mit der Zeit wird eine Vorstellung von Gott geformt, die immer weniger mit dem biblischen Gott zu tun hat – aber sich „spirituell“ anfühlt.
Man glaubt, man sei besonders offen für das Wirken des Geistes – aber in Wirklichkeit verliert man die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Irrtum.
Der Einfluss charismatisch-mystischer Strömungen
Ein weiteres Element, das ich in meiner früheren Gemeinde beobachten konnte, war der wachsende Einfluss mystisch-charismatischer Lehrer. Diese Bewegung ist oft geprägt von besonderen „Offenbarungen“, prophetischen Träumen, neuen geistlichen Erfahrungen – und einem sehr persönlichen Zugang zur Bibel, bei dem es nicht mehr um den ursprünglichen Sinn des Textes geht, sondern um das, was ich darin spüre oder was mir der „Heilige Geist“ gerade zeigt. (Welcher Geist - das wird bald ein anderer Beitrag)
Auch Brian Simmons ist ein typisches Beispiel dieser Strömung. Seine Aussagen, Jesus habe ihn in den Himmel genommen und ihn dort mit neuen Offenbarungen betraut, erinnern erschreckend an gnostische oder esoterische Ideen. Es geht nicht mehr um das überlieferte, objektive Wort Gottes – sondern um neue, exklusive Einsichten, die angeblich nur einigen wenigen zugänglich sind.
Doch das ist absolut unvereinbar mit dem Wesen des Evangeliums. Der Glaube kommt aus dem Hören, sagt Paulus in Römer 10,17 – nicht aus geheimen Visionen. Und Judas schreibt, dass der Glaube „ein für alle Mal den Heiligen überliefert“ wurde (Judas 1,3). Es gibt nichts Neues mehr hinzuzufügen.
Was macht das mit einer Gemeinde?
Langfristig verändern solche Lehren die Atmosphäre in einer Gemeinde. Man hört plötzlich Sätze wie: „Das steht zwar irgendwo in der Bibel, aber Gott hat mir persönlich etwas Neues gezeigt.“ Oder: „Die Bibel ist wichtig, aber der Geist spricht heute auch anders.“ Man beginnt, die Schrift als Ausgangspunkt zu nehmen – aber das Ziel ist nicht mehr Christus, sondern eine neue „Erfahrung“, ein neues Gefühl, eine neue „Tiefe“.
So kam es auch bei uns. Ich hörte plötzlich Dinge wie:
„Die Passion Translation ist frischer und spricht direkter zum Herzen.“
„Ich bekomme durch sie eine tiefere Offenbarung.“
„In der alten Bibel fehlen Dinge, die der Heilige Geist jetzt wiederherstellt.“
Was hier geschieht, ist nicht nur theologisch problematisch – es ist geistlich gefährlich. Denn es führt die Gemeinde langsam weg vom biblischen Christus hin zu einem anderen Jesus, zu einem anderen Evangelium, zu einem anderen Geist (2. Korinther 11,4).
Wie spricht man mit anderen über so etwas?
Ich gebe zu: Das war für mich einer der schwersten Punkte. Wie spricht man über falsche Lehre, ohne hochmütig zu wirken? Wie warnt man mit Liebe – ohne zu verletzen?
Zunächst: Wenn du merkst, dass in deiner Gemeinde oder deinem Umfeld etwas nicht stimmt, dann sei mutig – aber bleibe sanft. Paulus schreibt:
„Der Knecht des Herrn aber soll nicht streiten, sondern milde sein gegen jedermann, fähig zu lehren, geduldig, und die Widersacher in Sanftmut zurechtweisen“ (2. Timotheus 2,24–25).
Das ist sehr, sehr schwer, wenn man selbst verletzt oder enttäuscht ist. Doch es geht nicht um unseren Zorn, sondern um Gottes Wahrheit – und um die Herzen der Menschen.
Ich habe selbst erlebt, wie wichtig es ist, Fragen zu stellen statt Urteile zu fällen. Ein Gespräch kann beginnen mit:
„Hast du dich mal gefragt, auf welcher Textgrundlage diese Bibelübersetzung basiert?“
„Wusstest du, dass der Autor keine Ausbildung in den biblischen Sprachen hat?“
„Was denkst du über die Warnungen der Bibel vor neuen Offenbarungen?“
„Was bedeutet es für dich, dass Gottes Wort „ein für alle Mal“ überliefert wurde (Judas 1,3)?“
Nicht alle werden offen sein. Aber einige werden nachdenken. Und für diese wenigen lohnt es sich, mutig zu sprechen – in Liebe und in der Wahrheit.
Ist die Offenbarung Gottes abgeschlossen?
Das ist ein ganz zentraler Punkt. Viele Menschen, die sich zu neuen Bibelübersetzungen, Träumen oder Visionen hingezogen fühlen, tun das aus dem Wunsch heraus, mehr von Gott zu erleben. Das ist verständlich – aber gefährlich, wenn man die Grundlage verliert.
Die Bibel ist eindeutig: Die Offenbarung Gottes ist vollständig. Es gibt nichts hinzuzufügen.
1. Jesus ist die endgültige Offenbarung
„Nachdem Gott früher vielfach und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hat [...] hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn“(Hebräer 1,1–2)
Gott hat endgültig durch seinen Sohn gesprochen. Alles, was wir für Leben, Glauben, Hoffnung und Ewigkeit brauchen, finden wir in ihm – wie er in der Schrift offenbart ist.
2. Die Apostel haben das Fundament gelegt
„Ihr seid ... gebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, wobei Christus Jesus selbst der Eckstein ist“ (Epheser 2,20)
Die Apostel haben das Fundament gelegt. Wir bauen darauf – aber wir legen es nicht neu. Neue „Offenbarungen“ wie die von Brian Simmons, die über das apostolische Zeugnis hinausgehen, widersprechen diesem Prinzip.
3. Warnung vor Hinzufügung
„Ich bezeuge jedem, der die Worte der Weissagung dieses Buches hört: Wenn jemand etwas hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen zufügen [...]“ (Offenbarung 22,18)
Auch wenn dieser Vers auf das Buch der Offenbarung abzielt, ist das Prinzip deutlich: Gottes Wort ist vollständig. Wer Neues hinzufügt, läuft Gefahr, das Evangelium zu verfälschen.
Was du tun kannst
Vielleicht liest du das hier, weil du selbst Zweifel hast. Vielleicht bist du in einer Gemeinde, in der die „Passion Translation“ oder ähnliche Lehren verbreitet sind. Vielleicht fühlst du dich allein. Ich will dich ermutigen:
Gott ist treu. Wenn du ihn aufrichtig suchst, wird er dich führen (Jeremia 29,13).
Bleib im Wort. Die Schrift ist zuverlässig. Lass dich nicht verwirren von neuen Strömungen.
Such das Gespräch. Vielleicht bist du genau der Mensch, durch den andere gewarnt werden.
Sei bereit, Opfer zu bringen. Wahrheit ist kostbar. Manchmal bedeutet sie, sich zu trennen – aus Liebe zur Gemeinde und zur Ehre Christi.
Ein letzter Gedanke
Ich weiß, wie schwer diese Themen sein können. Ich weiß, wie weh es tut, wenn man geliebte Menschen oder vertraute Gemeinschaften nicht mehr mit gutem Gewissen mittragen kann. Und doch: Gott ist treu. Sein Wort ist klar. Sein Geist führt uns in alle Wahrheit – nicht durch neue Offenbarungen, sondern durch das, was er uns längst gegeben hat: Jesus Christus, den lebendigen Sohn Gottes, bezeugt in der Schrift.
Wenn du diesen Weg gerade gehst – du gehst ihn nicht allein. Halte fest an Gottes Wort, vertraue ihm, auch wenn es dich etwas kostet. Denn es lohnt sich.
„Kaufe Wahrheit und verkaufe sie nicht“ (Sprüche 23,23)
In diesem Sinne, taucht tief in Gottes Wort ein und prüft alles im Licht Seiner Wahrheit und wie sagt Justin Peters so toll:
"Wenn Du Gott kennenlernen willst, lies die Bibel
Wenn Du Gott hören willst, lies die Bibel laut.
DIE Bibel ist GOTTES Wort"
Eure Lizzy
Allgemeine Quellen zu Brian Simmons und TPT
Anmerkung: Mir sind leider ein paar Quellen abhandengekommen, da ich selten Quellen für mich selber aufhebe, vieles in diesem Beitrag stützt sich auf meine alten persönlichen Notizen zum Thema
2. Wissenschaftliche Kritik an The Passion Translation Andrew G. Shead, Burning Scripture with Passion – The Crushed Soul of The Passion Translation. In: Themelios 45.1 (2020), S. 48–64. Artikel online lesen (PDF)
3. Übersicht von kritischen Einschätzungen (TPT vs. echte Übersetzungen) Mike Winger: The Dangers of The Passion Translation – Video-Analyse YouTube: Mike Winger on TPT
mit einem schweren Herzen teile ich heute einen sehr persönlichen Brief, den ich an die Leitung meiner Gemeinde gerichtet habe (Ich habe natürlich alle Namen entfernt für die Privatsphäre aller Beteiligten). In einem früheren Blogbeitrag hatte ich bereits einige meiner Sorgen bezüglich der theologischen Ausrichtung der Gemeinde angesprochen. Nach vielen Gebeten, intensiver Reflexion und einem tiefen Ringen mit mir selbst, habe ich nun die schwierige Entscheidung getroffen, die Gemeinde zu verlassen. Dieser Brief erklärt die Gründe für meinen Abschied, die aus tiefer Sorge um die Wahrhaftigkeit des Evangeliums resultieren. Ich hoffe, dass meine Worte euch berühren und zum Nachdenken anregen.
Liebe Gemeindeführung,
ich schreibe euch diese Zeilen mit schwerem Herzen und nach viel Gebet und Überlegung. Es fällt mir nicht leicht, dies zu sagen, aber ich habe die Entscheidung getroffen, die Gemeinde zu verlassen.
Mir ist bewusst, dass dies unerwartet wirken mag, obwohl ich mich in letzter Zeit bereits aus dem regelmäßigen Gemeindeleben zurückgezogen habe. In den letzten Wochen habe ich jedoch begonnen, die verpassten Sonntagspredigten nachzuholen. Diese Zeit der Reflexion ermöglichte es mir, meine Bedenken klarer zu erkennen. Obwohl meine Anwesenheit seltener war, habe ich einige dieser Anliegen direkt mit der Gemeindeleitung geteilt. Ich bin dankbar für das offene Ohr, das mir entgegengebracht wurde, aber leider sind diese Themen ungelöst geblieben. Sie wurden weder theologisch widerlegt noch, wenn sie als problematisch anerkannt wurden, vor der gesamten Gemeinde thematisiert. Nach reiflicher Überlegung habe ich erkannt, dass ich der Richtung, in die sich die Gemeinde bewegt, nicht mehr folgen kann.
Im Laufe der Zeit habe ich mich zunehmend über bestimmte doktrinelle Entwicklungen innerhalb der Gemeinde beunruhigt. Die Wiederbelebung und Förderung der "Passion Translation Bibel" in der Sonntagslehre, die Betonung von geistlichen Praktiken, die mehr mit der Esoterik als mit der Bibel übereinstimmen, sowie die subtile Akzeptanz – oder zumindest der Mangel an Unterscheidung – bezüglich Lehren, die mit der Neuen Apostolischen Reformation in Verbindung stehen, haben mir Sorgen bereitet. Diese Tendenzen scheinen persönliche Erfahrungen, mystische Praktiken und menschliche Anstrengung über die Vollständigkeit der Schrift und das vollbrachte Werk Christi zu stellen.
Zusätzlich bin ich zunehmend besorgt über die weit verbreitete Akzeptanz von Konzepten des Wohlstandsevangeliums, insbesondere die Betonung von Träumen, Visionen, Gesundheitsdeklarationen und Affirmationen, die oft einer „Glauben und Empfangen“-Theologie entsprechen. Während ich daran glaube, dass Gott aktiv und mächtig in unserem Leben wirkt, besteht die Gefahr, dass dieser Fokus das Fundament unseres Glaubens von Christus auf die Suche nach persönlichem Segen, Erfolg und Erfüllung verlagert.
Es hat Jahre gedauert, viele dieser schädlichen Lehren zu verlernen, und es war ein schmerzhafter Prozess. Der Weg, mich von diesen Ideen zu lösen, hat meine Perspektive tief geprägt und meine Überzeugung in die Vollständigkeit der Schrift und das Evangelium der Gnade gestärkt.
Was mich am meisten betrübt, ist, dass diese Entwicklungen uns unbeabsichtigt von der Einfachheit und Kraft des Evangeliums der Gnade abbringen können. Ich befürchte, dass geistliches Wachstum in einer Weise dargestellt wird, die uns subtil wieder zum Streben und zu Werken zurückführt, anstatt in dem vollbrachten Werk Jesu zu ruhen.
Ich möchte etwas teilen, das in einer kürzlichen Sonntagslehre gesagt wurde und eine Denkweise widerspiegelt, die meiner Meinung nach das Herz des Evangeliums verfehlt:
„… Und ich weiß, dass viele Christen an die rettende Kraft des Kreuzes glauben und vertrauen, wo Jesus freiwillig sein Leben gab, um uns neues Leben, Erlösung und Beziehung mit ihm zu geben. Und oft hören sie dort auf, als ob das alles ist…Es ist der allererste Schritt, der Anfang… Ihr wisst, diese Menschen gehen vielleicht in die Kirche, sie beten, aber sie entwickeln sich nicht weiter, entweder weil sie den Bedarf nicht sehen oder sie nicht bereit sind, den Preis zu zahlen…“
Während ich die Absicht hinter diesen Worten verstehe, Gläubige zu tieferer Hingabe zu bewegen, beunruhigt mich die Implikation, dass das Kreuz irgendwie unzureichend oder nur ein Einstiegspunkt ist. Die Schrift lehrt uns, dass alles, was wir für Leben und Gottseligkeit brauchen, in Christus zu finden ist (2. Petrus 1,3) und dass unsere Heiligung ein Werk der Gnade von Anfang bis Ende ist – nicht etwas, das wir durch einen Preis erreichen, sondern etwas, das wir im Glauben empfangen.
Bitte wisst, dass diese Entscheidung mir nicht leicht gefallen ist. Ich bin dankbar für die Menschen, die ich getroffen habe, die Gemeinschaft, die ich geteilt habe, und die Momente aufrichtiger Anbetung, die ich erlebt habe. Ich gehe nicht mit Bitterkeit, sondern mit Trauer und dem tiefen Wunsch nach Klarheit, Wahrheit und dem unerschütterlichen Fundament von Christus und seinem Wort.
Ich bete weiterhin für euch alle – für Weisheit, für Unterscheidungsvermögen und für eine vertiefte Liebe zum Evangelium von Jesus Christus.
Mit Liebe,
Lizzy
Dieser Abschied ist für mich wirklich schwer, aber es ist ein Schritt der Gehorsam gegenüber dem, was ich als Wahrheit des Evangeliums erkenne. Es ist kein Ende, sondern ein neuer Abschnitt auf meinem Weg mit Gott, und ich vertraue, daß Er mich weiterhin in Seiner Gnade leitet. In den nächsten Tagen werde ich mich noch einmal mit der Gemeindeleitung treffen, um meine Sorgen besser zu erklären und im Gespräch nach Verständnis und Aufklärung zu suchen. Ich trage keine Bitterkeit in meinem Herzen, sondern eine tiefe Dankbarkeit für die gemeinsamen Jahre und die Gewissheit, dass Gott jeden von uns in Seiner Hand hält. Mein Gebet ist, dass wir alle in der Einfachheit und Kraft des Evangeliums wachsen, in Christus verwurzelt bleiben und Seiner Wahrheit treu folgen.
In diesem Sinne, taucht tief in Gottes Wort ein und prüft alles im Licht Seiner Wahrheit.
Vor einiger Zeit wurde in einer
WhatsApp-Gruppe unserer Gemeinde ein Video geteilt, das mich zutiefst
erschüttert hat. Nicht nur, weil der Inhalt eindeutig dem Wohlstandsevangelium
zuzuordnen war, sondern vor allem wegen der Reaktion darauf: Es schien, als
würde niemand die Problematik erkennen. Das Video wurde kommentarlos
weitergeleitet, positiv aufgenommen und sogar in Gesprächen und Gebeten
inhaltlich aufgegriffen, als sei es geistlich fundiert.
Was mich am meisten beunruhigt, ist
nicht nur dieses einzelne Video oder ein bestimmter Beitrag. Es ist das Gefühl
eines schleichenden Abgleitens – das langsame Eindringen von Lehren, die sich
zwar christlich anhören, aber im Kern eine ganz andere Botschaft als das
Evangelium verkünden. Diese Lehren kreisen oft um die Vorstellung, dass der
Glaube eine Art Machtmittel sei – eine Formel, mit der man Gott zum Handeln
bewegen kann. Es wird suggeriert, dass Gott muss, wenn wir nur richtig glauben,
positiv sprechen oder korrekt beten.
Das ist im Kern das, was man als
Wohlstandsevangelium bezeichnet. In diesem sogenannten „Evangelium“ geht es –
wie der Name schon andeutet – um materiellen Wohlstand, aber nicht nur das. Es
geht auch um Gesundheit, zwischenmenschliche Beziehungen und allgemeinen
Erfolg. Das Grundprinzip bleibt dabei immer gleich: Gott will, dass du reich,
glücklich und gesund bist – jederzeit.
Innerhalb dieses Denkens garantiert
der „richtige“ Glaube automatisch das gewünschte Ergebnis. Bleibt dieses aus,
liegt die Schuld bei uns: Wir haben nicht stark genug geglaubt, wir hatten
Zweifel, Sünde in unserem Leben – irgendetwas muss schiefgelaufen sein. Dieses
System macht aus der Beziehung zu Gott ein geistliches Geschäft, in dem wir die
Bedingungen diktieren und Gott zum Lagerverwalter unseres persönlichen
Wohlstandsdepots machen. Wenn wir nur die richtige „Bestellung“ abgeben, muss
er liefern – ohne Spielraum, ohne Freiheit.
Der Schöpfer des Universums wird zum
Flaschengeist degradiert: dreimal gerieben, und schon erfüllt er unsere
Wünsche.
Natürlich geschieht das alles „im
Namen Jesu“, als scheinbar geistliche Vollendung der Formel.
Wie erschütternd, den allmächtigen
Gott der Schöpfung auf diese Weise zu behandeln. Was für eine ehrfurchtslose
Haltung, zu glauben, dass unser Vater im Himmel derart manipuliert werden
könne. Wie tief muss eine Generation gesunken sein, wenn sie das heilige Opfer
unseres Herrn Jesus auf egoistische Wünsche reduziert – und den Heiligen Geist
als spirituellen Zauberstab missbraucht.
Wir kontrollieren Gott nicht. Wir
können Ihn nicht durch Glaubensformeln lenken. Echter Glaube bedeutet nicht,
dass wir bekommen, was wir wollen – sondern dass wir Gott vertrauen, auch wenn
wir Ihn nicht verstehen.
Gerade in diesen Tagen – unmittelbar
vor Karfreitag und Ostersonntag – wird uns das wahre Wesen des Evangeliums vor
Augen geführt. Es geht nicht um ein Leben in irdischem Wohlstand oder ständiger
Erfüllung persönlicher Wünsche. Es geht um das Kreuz. Um das Leiden und das
freiwillige Opfer des Sohnes Gottes, der sich selbst erniedrigte – um
unverdiente Gnade, die durch Blut und Schmerz erkauft wurde.
Am Karfreitag erinnern wir uns an den
gekreuzigten Christus – nicht an einen Gott, der sich nach unseren
Vorstellungen richten lässt, sondern an einen Gott, der sich selbst hingibt,
weil wir verloren sind.
Und am Ostersonntag feiern wir den Sieg über Tod und Sünde – nicht, weil wir
ihn herbeigeglaubt hätten, sondern weil Gott souverän handelt, treu zu seinen
Verheißungen, voller Macht und voller Erbarmen.
Das Evangelium ist keine Methode zur Selbstverwirklichung, sondern eine
Einladung zur Umkehr, zur Nachfolge, zur Anbetung des auferstandenen Herrn.
Wir brauchen dieses Evangelium –
rein, klar, unverdünnt. Unsere Gemeinden brauchen es. Unsere Herzen brauchen
es.
Was meine Gemeinde angeht, habe ich
mich bewusst entschieden, nicht öffentlich dagegen zu sprechen. Ich war eine
Zeit lang nicht aktiv in der Gemeinde und wollte keine Unruhe stiften – vor
allem nicht in Bezug auf Menschen, die ich persönlich nicht kenne. Stattdessen
habe ich mich an eine Person aus der Gemeindeleitung gewandt, in der Hoffnung
auf Rat und Orientierung. Die Antwort war zwar verständnisvoll, wies aber auch
darauf hin, dass in solchen WhatsApp-Gruppen jeder selbst verantwortlich sei,
Dinge zu prüfen – und dass die Leitung nicht jeden Beitrag im Blick habe.
Das kann ich ja noch nachvollziehen,
in einer Welt, in der ständig Inhalte geteilt werden, kann niemand alles
überprüfen. Und doch glaube ich, dass wir gerade bei theologischen Fragen – vor
allem, wenn sie sich in unser Denken, Beten und Reden einschleichen – nicht
einfach achselzuckend zur Tagesordnung übergehen dürfen.
Denn genau hier beginnt die stille
Verfälschung. Nicht durch offene Rebellion, sondern durch ein schleichendes
Verschieben von Prioritäten und Perspektiven. Es beginnt mit dem Gedanken, dass
Glaube vor allem dazu da sei, unsere Lebensumstände zu verbessern. Dass Gott in
erster Linie dazu da sei, unsere Wünsche zu erfüllen. Und es endet damit, dass
das Kreuz seinen Mittelpunkt verliert, die Heiligkeit Gottes verblasst – und
der Mensch wieder selbst auf dem Thron sitzt.
Die Bibel warnt uns auf leise, aber
klare Weise vor solchen Entwicklungen. Jakobus erinnert uns daran, wie wenig
Kontrolle wir wirklich über unser Leben haben:
„Ihr wisst ja nicht, was morgen sein wird... Stattdessen solltet ihr sagen:
Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.“ (Jakobus 4,14–15)
Und Paulus schreibt voller Staunen:
„O Tiefe des Reichtums sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes!
Wie unergründlich sind seine Gerichte und wie unausforschlich seine Wege!“ (Römer
11,33)
Das hier ist kein Plädoyer für
Gesetzlichkeit oder Rechthaberei – sondern ein Ruf, das Evangelium klar und
unverfälscht zu bewahren. Ich weiß, das ist ein sensibles Thema, vor allem wenn
es um Menschen geht, die wir schätzen. Aber wenn uns die geistliche Gesundheit
unserer Gemeinde am Herzen liegt, dürfen wir nicht schweigen – nicht mit Härte,
aber mit Demut und Liebe.
Dieser Beitrag ist genau das: ein
stiller Hinweis, geschrieben aus Sorge und Liebe. Ich habe nicht alle
Antworten, aber ich möchte wachsam sein für das, was sich geistlich verändert.
Wenn auch nur ein Mensch dadurch angeregt wird, genauer hinzuschauen, dann hat
sich das Schreiben gelohnt. Und was meine Gemeinde angeht, hoffe und bete ich,
dass meine Besorgnisse bald offiziell adressiert werden und wir uns alle wieder
auf das wahre Evangelium besinnen.